Texte

Helmut Hein, Mittelbayrische Zeitung, 08.11.2013

RETRO 

 

Dr. Kirsten Remky

 

Vortrag anlässlich der Ausstellungseröffnung am 27. Oktober 2013

Augenklinik Regensburg im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder

 

Sehr geehrte Damen und sehr geehrte Herren!

 

RETRO lautet der Titel dieser Ausstellung und lässt sich ganz einfach mit „zurück“ oder „rückwärts“ übersetzen. Barbara Gufler hat bewusst im doppelten Sinn diese Überschrift gewählt. Denn: die Präsentation zeigt sowohl eine Rückschau von Werken ab den 90er Jahren als auch neue Arbeiten, die einen Rückblick in die eigene Kindheit gewähren. 

In den letzten 20 Jahren ist eine beachtliche Anzahl von Gemälden, Monotypien und Objektkästen entstanden. Auffällig ist, dass Gufler in Serien arbeitet. Den Kennern ihrer Kunst ist die Namensgebung der Serien durchaus vertraut, wie „Morphologische Gesellschaft“ oder „Neptuns Traum“. Konkrete Titel zu einzelnen Bildern versucht Gufler zu vermeiden, da diese - wie sie sagt - einengen würden. 

 

Barbara Gufler wurde 1964 in Regensburg geboren. Sie studierte freie Kunst und freie Grafik an der Fachhochschule Köln (1986-91) bei Professor Pravoslav Sovak. Seit 1991 ist sie in Regensburg als freischaffende Künstlerin tätig und seit dieser Zeit beweist sie eine aktive Auseinandersetzung mit neuen Techniken und ihre Experimentierfreudigkeit im Schaffensprozess. 

Die Freude am Ausprobieren zeigt sich schon bei ihren frühen Arbeiten. Die so genannten Portugiesen (aus der „Blauen Serie“) sind während eines Arbeitsaufenthaltes in Portugal im Jahr 1995 entstanden. Hier malt Gufler mit portugiesischer Erde auf Papier und schafft deutliche Spuren und Strukturen auf der Oberfläche. Mit kräftigen Farben in Blau und Braun entstehen Figuren und Formen, die der Fantasie des Betrachters überlassen werden. 

 

Fast zeitgleich entwickelt Gufler eine bemerkenswerte Reihe von skurrilen und freundlichen Gestalten, der die Künstlerin den treffenden Titel „Morphologische Gesellschaft“ verleiht. Diese großformatigen Werke auf Leinwand sind durch eine satte, intensive Farbigkeit gekennzeichnet. Bei der Frage, wie solche Bilder entstehen, gibt es nur eine Antwort: Die Gestalten kommen einfach aus ihr heraus oder auch nicht. 

 

In ihrer Serie der „Porträts“, gemalt auf Leinwand oder Papier, aus der Zeit um 2004 fabuliert Gufler unterschiedliche Figuren. Oft sind es Vogelfiguren, Fische mit Vogelfüßen oder Mischwesen. Jede Figur hat ihre eigenständige Persönlichkeit: Frech, schüchtern, misstrauisch, verspielt, selbstbewusst oder fragend stehen sie uns als Betrachter gegenüber. Figuren und Gebilde treten hervor, die an naiv-kindliche Zeichnungen erinnern. Sie erhalten menschliche Züge und sind uns daher so nah. Diese humoristischen und fantasievollen Bildfindungen sind auf das Wesentliche reduziert. Mit einfachen Formen und gezielten Konturen legt sie die Charaktere ihrer Figuren fest. Sie laden zum Schmunzeln ein und suggerieren das unmittelbare Gefühl von Freiheit und ungezwungener Freude.

 

Einen zentralen Bereich ihrer Kunst nehmen Guflers Monotypien ein. Hier tauchen nervöse Strichzeichnungen, amorphe Strukturen, florale Gebilde auf sowie häufig wiederkehrende Motive wie beispielsweise das Motiv des Hirschgeweihs. Themen wie König und Königin lassen an die Märchen der Gebrüder Grimm denken. Darstellungen wie das so genannte Haus vom Nikolaus, das in einem Linienzug entsteht, erinnern an Rätselspiele, die wir alle aus unserer Kindheit kennen. 

Die Bildelemente sind harmonisch auf der Farbfläche verteilt. Einfache wilde Kritzeleien bringen die zarten Strichfiguren oder Gesichter hervor. Zusammen mit umlagerten abstrakten Formen auf farbintensiver Bildfläche geben sie der Fantasie Spielraum oder werden schlichtweg zum visuellen Erlebnis für den Betrachter. 

 

Seit fast zwanzig Jahren bis heute beschäftigt sich Gufler mit der eher unbekannten Künstlertechnik der Monotypie. Schon im 17. Jahrhundert erfunden und angewendet, widmen sich später beispielsweise Edgar Degas, Andy Warhol und Karl Otto Götz dieser Technik. 

Bei der Monotypie handelt es sich um einen Ein-Mal Druck. Barbara Gufler bemalt eine Glasscheibe mit einer oder mehreren Farben. Diese wird im noch feuchten Zustand bearbeitet: vorbereitete Schablonen mit unterschiedlichen Motiven werden aufgedrückt, feine Strichzeichnungen in die Farbe eingeritzt und spontane Ideen umgesetzt. Anschließend wird ein Papier aufgelegt und mit der Hand oder mit der Rolle angedrückt. Schließlich muss das Papier vom Glas wieder gelöst werden. 

Da der Abdruck nicht wiederholbar ist, handelt es sich um ein Unikat. 

Barbara Gufler betont, dass der Zufall insbesondere bei den Monotypien einkalkuliert ist. Formen und Motive werden zwar von ihr bestimmt, aber wie sie letztendlich ausfallen, ist dem Zufall überlassen.

Die Farbe ist bei Gufler von großer Bedeutung. Gufler scheut sich nicht vor kraftvoll expressiver Farbgebung. Auf heftigem blauen oder roten Hintergrund nehmen die Figuren ihren Platz ein und lassen das Bild zum koloristischen Abenteuer werden. Gleichzeitig  bringen auch zarte nuancierte Farben die Monotypien zum Leuchten und beleben die lyrisch-poetische Wesensart der Figuren.

 

Zu den aktuellen Arbeiten gehören Objektkästen, die von Guflers Kindheit und Jugend erzählen. Sie sind in den letzten zwei Jahren entstanden. Anlass für diese Serie waren wiederentdeckte Fundsachen, die jahrzehntelang unbeachtet aufbewahrt wurden. Persönliche Erinnerungsstücke wie Spielsachen, Fotos, Puppen, Schmuckstücke, Plastikfiguren, Murmeln und Strohblumen arrangiert und staffiert Gufler in gerahmten Schaukästen. Einige Objekte werden verändert oder entfremdet, indem sie z.B. mit Farbe bemalt werden. 

Die meisten der Schaukästen sind mit Spielsachen bestückt. Das farbenfrohe Spielzeug zeugt von einer unbeschwerten Kindheit. Urlaubsfotos von sich, ihren Eltern und der Schwester dokumentieren eine glückliche gemeinsame Zeit. Dennoch sind auch einige der Materialkästen mit Wehmut und Trauer behaftet. Guflers Objektkästen scheinen das Resultat einer offenen und ehrlichen Aufarbeitung ihrer Kindheit zu sein. 

Bei den jüngsten Objektkästen, die vor wenigen Tagen fertiggestellt wurden, löst Gufler sich von ihrer autobiografischen Gedankenwelt und kehrt zur Monotypie zurück, die jetzt zum wesentlichen Bestandteil der Schaukästen wird.

 

Liebe Frau Gufler, ich danke Ihnen sehr, dass wir Ihre Kunstwerke für einige Monate hier in der Augenklinik ausstellen dürfen. Ich bin mir sicher, Ihre Bilder werden bei dem einen oder anderen Betrachter Glücksgefühle und Begeisterung hervorrufen. Die liebenswerten Geschöpfe und Gebilde auf farbintensivem Bildgrund sowie die  Schaukästen voller bunter Erinnerungen bereichern allemal unseren Alltag und lassen uns wenigstens für eine gewisse Zeit in ein Leben mit viel Fantasie und Gefühl eintauchen. 

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Neptuns Traum

 

Herbert Schneidler
Leiter der städtischen Galerie "Leerer Beutel", Regensburg

 

"Neptuns Traum" nennt sich ein Zyklus von Monotypien, den Barbara Gufler im Herbst 1996 begann und der, dieses sei vorweggenommen, wie ein Prozess der Befreiung anmutet. Schon ein Jahr zuvor schuf die Künstlerin eine "Blaue Serie" (Mischtechnik auf Papier), in der sich ein Wandel in der künstlerischen Auffassung angedeutet hatte: nicht mehr die innere Bilddramatik wie im Zyklus "Morphologische Gesellschaft" und auch nicht mehr der intensive Kontrast von Dunkelheit und Helligkeit im Bild. Ein lyrischer, vielleicht auch optimistischer Grundton prägt ihre neuen Bildfindungen. Damit einher geht eine reduziertere Formensprache mit nur wenigen Grundmotiven wie Krone, Boot oder Fisch. 
Mittels einer Schablonen-Technik tauchen diese Motive in verschiedenen Konstellationen und Farbvariationen vor dem Bildgrund auf, wirken gleichsam flächenbildend und verkörpern zugleich den kalkulierten Part beim Entstehungsprozess der Monotypie. 
Alles übrige ist eher dem Zufall überlassen, so dass das fertige Bild von der Spannung, was ist gewollt und was nicht, sehr stark lebt.

 

Barbara Guflers zum Teil sehr buntfarbige Blätter spiegeln einen Schwebezustand wieder, voller Heiterkeit und Offenheit; zugleich repräsentieren sie eine Freiheit, die eine andere Freiheit wachruft: die Freiheit der Malerin, die Freiheit des Betrachters.

Barbara Gufler hat sich nun eine Technik entwickelt, die ihrer gestalterischen Vorstellungswelt entspricht. Ihren Monotypien liegt ein Verfahren zugrunde, das zwischen zwei Bereichen der Grafik angesiedelt ist, der Zeichung und der Druckgrafik. Jeder Abdruck ist unwiederholbar und jeder Abzug ist ein Unikat gleich einer Zeichnung.

Die Künstlerin erzielt mit dieser Technik beachtliche Wirkung, von der Plastizität eines Grundmotivs bis hin zu den raumschaffenden Farben des Bildgrundes.
Ihr neuer Bildzyklus wirft auch ein Schlaglicht auf des Selbstverständnis der Künstlerin, nämlich immmer wieder zu neuen Ufern aufzubrechen, denn die "Kunst sollte als Metamorphose betrachtet werden, als beständige Umwandlung", wie es Willi Baumeister einmal treffend formuliert hat.

 

Auszug aus dem Katalog des Kunstvereins Ebersberg anlässlich einer 
Ausstellung Barbara Guflers in der Galerie Schloß Hirschbichl vom 2.-18. Mai 1997

Morphologische Gesellschaft

 

Jörg Viertelbauer

 

"Morphologische Gesellschaft", so nennt Barbara Gufler einen großen Teil ihrer Arbeiten in dieser Ausstellung. Gegenüber ihren Bildern von 1992/93 geistern hier klar und deutlich Figuren und Figürchen herum, sind Luftballonköpfe und Tierleiber in Farblandschaften, sind Weibsbilder neben gewaltige Vogelmännchen gestellt, verstellen sich gegeseitig den Weg, um die Aufmerksamkeit der Betrachter zu erlangen.

Die Farben sind kräftiger und bunter geworden, die Vorliebe zu Blau ist angereichert mit Grün-, Braun- und Rottönen, ja sogar ein leuchtendes und überwiegend rotes Bild finden wir vor. Das größte Bild der Ausstellung, eine riesige Papierarbeit, mit Acrylfarben gemalt, zeigt uns überlebensgroße Figuren neben gigantischer antropomorpher Rübe und fleißigem Bienchen, nicht mehr vor dunklem düsterem Farbgrund, sondern in einer Art heiler Nährlösung im "Aquarium" schwimmend.
Wir schauen hinein, "es" schaut heraus Betrachter und Betrachtetes treten sich gegenüber und treten durchaus gleichberechtigt in einen visuellen Dialog ein.

Wie entstehen die Bilder? Barbara Gufler malt und kratzt und wischt und verändert und übermalt und kratzt wieder hinein und malt wieder darüber und ineinander und zeichnet Zeichen und malt Farbe darüber und kratzt abermals ab und ...
Barbara Guflers Bilder sind als nicht Design, sondern eher Prozess, ja sogar Kampf, auch wenn dieses Wort pathetisch klingen mag, so scheint es mir doch angebracht. Das "Es" malt kräftig mit.

Bilder urzeitlich früher Kulturen sind uns heutigen Menschen in ihrer unverständlichenen mythischen Entferntheit ein Faszinosum. Die "Morphologische Gesellschaft" knüpft einen Ariadnefaden zu diesen archaischen "Beschwörungsbildern" der Höhlenmaler und sltellt sich doch ganz und gar als eine moderne und zeitgenössische Malerei den Erfordernissen unserer Jahrtausend-Endzeit.

Waren ihre Bilder "Aus einem Leben" von 1992 schon sehr autobiographisch, aber längst nicht so leicht und entzifferbar, sind die Bilder der "Morphologischen Gesellschaft" im freundlichen Entgegenkommen für die Betrachter, nicht krypthisch verschlüsselt, sondern liebenswürdig offen und erzählen ebenfalls aus einem (ihrem) Leben. Wir "lesen" somit eher auf der Seite der Authenzität, als dass wir auf virtuellen pages surfen.

Natürlich könnten wir alle etwas erzählen und wir tun dies auch, aber wir tun dies überwiegend im gesprochenen und geschriebenen Wort. Malend zu erzählen erfordert einen großen Schatz an Erfahrung und einen Reichtum an malerischen "Begriffen", soll das Ergebnis über persönliche Notate hinausgehen. Neben der Tatsache der Bilderflut, die uns Medien-Konsumenten in erster Linie über die Vielzahl der Kabelkanäle und die Werbung in unser Leben heireinschneit, hat sich die Malerin mit den unzähligen Bildern von Künstlern auseinanderzusetzen, was sie seit ihrem Studium in der Kunstmetropole Köln, also seit 1986 tut. Nach eigenem Bekunden haben aber persönliche Erlebnisse und die nun seit 1991 nunmehr eigenständige Auseinandersetzung mit der Malerei ihre Arbeit mehr beeinflußt, als die akademische Ausbildung, die zweifelsohne die Basis dafür bildet.

Aber Barbara Gufler malt aus eigener Anschauung. Und sie malt Bilder die andere so nicht malen könnten, da sie ihre eigenen und villeicht so zu nennenden "inneren Bilder" benutzt, um der Leinwand, den Farben, dem Material ihre Sehweise aufzuzwingen. Dadurch entstehen Bilder, Figuren, Zeichen, die mit dem Leben zu tun haben, mit dem Überleben, mit dem Bestehen und dem sich Auflösen, mit dem Kampf gegen die Ängste der Dunkelheit und mit der Freude am Licht. Dazu beigetragen haben wird in jüngerer Zeit sicherlich auch ihre einsame Winterwochenzeit in Portugal, der wir die "Blaue Serie" zu verdanken haben.

Die "Morphologische Gesellschaft", das sind der gräßte Teil der Bilder dieser Ausstellung, aber das sind auch wir. Wir verändern uns notgetrungen ständig, aber wir haben immer noch zu tun mit dem Wesen aus grauer Vorzeit.
Barbara Gufler zeigt uns warum und auf freundliche Art und Weise. Für ihre Freundschaft mag der Tisch stehen, den uns ds Bild "Ohne Ende" am Ende des Katalogs zeigt, ein "Runder Tisch".

 

Auszug aus dem Katalog "Bilder 1994/1995" anlässlich einer
Ausstellung Barbara Guflers in der der Sparkassenzentrale Regensburg
vom 7.11. - 1.12.1995

 

Harald Raab, Mittelbayrische Zeitung, 1995

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